Mythen und Fakten

Die wichtigsten Mythen über Freihandel

Von Donald J. Boudreaux, George Mason University, und Nita Ghei

In jüngster Zeit kommen neue Zölle und Beschränkungen des weltweiten Handels immer häufige im öffentlichen Diskurs zur Sprache. Dabei handelt es sich häufig um alte Argumente, die wieder ausgegraben werden, und insbesondere deswegen noch auf Resonanz stoßen, weil die Vorteile des internationalen Freihandels of schwer zu erkennen sind, während die Vorteile, die sich für einzelne daraus ergeben, dass man sie vor auswärtiger Konkurrenz schützt, oft unmittelbar und offensichtlich sind. Diese Illusion bestärkt die weitverbreitete Vorstellung, dass Freihandel für die Wirtschaft eines Landes schädlich ist. Sie ist das Zünglein an der Waage für diejenigen, die ihre eigenen Vorteile vor auswärtiger Konkurrenz schützen wollen. Das führt dazu, dass Regierungen derzeit tausende von Zöllen, Quoten und anderen Handelshemmnissen einführen.

Die Beschränkung des Außenhandels schadet nur allzu oft gerade den Leuten, die sie angeblich schützen sollen: die einheimischen Konsumenten und Produzenten. Wer Handel beschränkt, beschränkt auch die Auswahl, die Einheimischen beim Kauf zur Verfügung steht. Es kommt zu Preissteigerungen für alles möglich, von Kleidung und Nahrungsmitteln bis zu den Rohstoffen, aus denen Gegenstände des täglichen Gebrauchs hergestellt werden. Geringverdiener haben in der Regel einen unverhältnismäßig großen Teil dieser Preissteigerung zu tragen. Handelsverträge machen freien Handel leichter und sind nicht etwa ein Verlust an Souveränität; sie sind Teil des Gefüges internationaler Beziehungen – und waren es schon immer.

Was Freihandel tatsächlich bewirkt

Freihandel schafft Wohlstand für alle Bürger eines Landes, indem er den Konsumenten ermöglicht, mehr Produkte mit besserer Qualität und zu niedrigeren Preisen zu kaufen. Er treibt das Wirtschaftswachstum an, erhöht die Effizienz, befördert Innovation und führt zu größerer Fairness auf Grundlage eines regelbasierten Systems. Diese Vorteile werden stärker in dem Maß wie der Handel, Exporte und Importe, zunimmt.

Freihandel vergrößert den Zugang zu Güter von höherer Qualität und niedrigeren Preisen. Günstige Importe, etwa aus Schwellenländern, lindern den Inflationsdruck in entwickelten Staaten. Die Preise bleiben um mehr als 2 Prozent günstiger für jedes Prozent Marktanteil, den Güter aus Ländern mit niedrigeren Löhnen einnehmen. Dadurch bleibt dem Bürger mehr Einkommen, das er für andere Dinge ausgeben kann.

Freihandel bedeutet mehr Wachstum. In den USA z. B. sind mindestens die Hälfte der Importe nicht Konsumgüter, sondern Güter, die von einheimischen Produzenten zur Weiterverarbeitung benötigt werden. Indem man den Handel befreit reduziert man die Kosten dieser Güter und mithin die Produktionskosten der Unternehmen im Land, was zu mehr Wirtschaftswachstum führt.

Freihandel verbessert Effizienz und Innovation. Im Laufe der Zeit bewirkt Freihandel zusammen mit anderen Marktprozessen wie etwa Arbeitsteilung, dass Arbeitskräfte und Ressourcen produktiver eingesetzt werden, wodurch die effizienter arbeitenden Firmen Erfolg haben. Das führt wiederum zu höheren Löhnen, Investitionen in Infrastruktur und insgesamt einer dynamischeren Wirtschaft, in der beständig neue Arbeitsplätze und Chancen entstehen.

Freihandel treibt den Wettbewerb an. Einheimische Arbeitnehmer und Unternehmer bringt er dazu, sich den wandelnden Bedingungen eines weltweiten Marktes anzupassen. Nur dadurch können sie wettbewerbsfähig bleiben – und genau dadurch entsteht auch nachhaltiges und langfristiges Wachstum.

Freihandel führt zu größerer Fairness. Wenn jeder den gleichen Regeln unterworfen ist, gibt es weniger Möglichkeiten für Klüngelwirtschaft und Korporatismus. Außerdem können dann einzelne Staaten nicht mehr so einfach den Handel zugunsten bestimmter Einzelgruppen manipulieren. Wenn es ein solches System nicht gibt, können insbesondere die großen und gut vernetzten Firmen und Branchen sich leichter unfaire Vorteile verschaffen, die sie vor Konkurrenz schützen, wie etwa Schlupflöcher in Regulierung und Besteuerung.

Mythos und Realität

Mythos: Mehr Exporte bedeuten auch mehr Wohlstand

Realität: Der Wohlstand eines Landes wird am besten erkennbar am Gesamtvolumen des Handels, also an Ex- und Importen. Denn Wohlstand definiert sich durch die Menge und Vielfalt der Güter, die die Bürger eines Landes konsumieren können. Die Exporte vergrößern den Wohlstand eines Landes nur deshalb, weil sie es den Bürgern ermöglichen, mehr zu importieren, und Auswärtigen höhere Anreize bietet, in dem Land zu investieren und so zu dessen Wirtschaftswachstum beizutragen. Wenn man Importe beschränkt, geht das nur zu Lasten des Landes.

Ärmere Bürger müssen mehr unter Zöllen leiden als die reicheren. Nicht nur, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Alltagsgüter ausgeben müssen, sondern auch, weil viele dieser Güter häufig mit höheren Zöllen belegt sind als vergleichbare Güter im Luxusbereich. So können in den USA z. B. importierte günstige Turnschuhe mit Zöllen bis zu 60 Prozent belegt werden, während für lederne Herrenschuhe nur 8,5 Prozent anfallen. Auf einfache Wassergläser wird fast 30 Prozent Zoll fällig, auf teure Kristallgläser nur 3 Prozent.

Mythos: Durch Freihandel werden Arbeitsplätze ins Ausland verlagert

Realität: Weder Freihandel noch Protektionismus schaffen neue Arbeitsplätze. Freihandel kann bisweilen in den Unternehmen und Branchen, die weniger effizient arbeiten, zum Verlust von Arbeitsplätzen führen. Doch er setzt gleichzeitig Ressourcen frei, um in den effizienten neue Arbeitsplätze entstehen zu lassen, indem die Löhne und der Lebensstandard insgesamt steigen. Dagegen soll Protektionismus Arbeitsplätze retten, die auf dem Markt nicht bestehen könnten – und das geht zu Lasten der innovativeren Unternehmen.

Viele Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt sind nicht das Ergebnis von Freihandel, sondern von Innovation. Neue Technologien wie Smartphones und Apps haben eine enorme Zahl an Produkten überflüssig gemacht: Radios, Fotoapparate, Wecker, Taschenrechner, CDs, DVDs, Wasserwaagen, Maßbänder, Kassettenrekorder, Blutdruckmessgeräte, Kardiographen, Taschenlampen und Aktenschränke. Wenn man mit protektionistischen Maßnahmen Arbeitsplätze “retten” will, sind die Kosten gigantisch: es gibt immer weniger Chancen und die Kosten für importabhängige Industrien steigen ins Unermeßliche.

Mythos: Handelsbeschränkungen nutzen der einheimischen Bevölkerung

Realität: Die einzigen Nutznießer von Handelsbeschränkungen sind Unternehmen, die ineffizient arbeiten, und Interessenvertreter, die sich für diese Maßnahmen einsetzen, um sich die Konkurrenz vom Leib zu halten.

Obwohl die amerikanische Stahlindustrie jahrzehntelang vor ausländischer Konkurrenz geschützt wurde, haben große Firmen immer wieder die Produktion ausgelagert, weil ihre laufenden Kosten zu hoch waren und kleine Firmen ihnen Konkurrenz gemacht haben. Zölle auf Stahl steigern die Kosten für die Unternehmen, die Stahl verarbeiten und nutzen. Letztere Branche beschäftigt in den Vereinigten Staaten fast 13 Millionen Menschen – in der Stahlproduktion selbst sind es nur 140.000.

Wenn die eine Seite Zölle erhebt, führt das meist zu Gegenmaßnahmen auf der anderen Seite. Als die USA zwischen 2012 und 2015 chinesische Solarpanel mit Zöllen belegten, reagierte China mit einem Zoll auf Polysilizium aus den USA. Dadurch stiegen die Kosten für Solartechnologie und beide Staaten verpassten Gelegenheiten, dass neue Arbeitsplätze entstehen.

Mythos: Handelsdefizite sind schlecht für ein Land

Realität: Handelsdefizite sind grundsätzlich gut für die Bürger eines Landes. Ein Handelsdefizit ist nicht gleichbedeutend mit Schulden. Auch wenn die Bezeichnung etwas anderes suggerieren könnte, ist ein steigendes Handelsdefizit gut für die Wirtschaft eines Landes. In der Regel signalisiert es. dass Investoren in der ganzen Welt mit Optimismus auf die wirtschaftliche Zukunft eines Landes blicken. Ein Handelsdefizit mag größer sein als es normalerweise wäre, wenn ein Handelspartner seine Währung künstlich abwertet – doch diese Methode ist für eben dieses Land schädlich, nicht für das andere.

Das Handelsdefizit steigt immer dann, wenn ausländische Investoren entscheiden, mehr in diesem Land zu investieren. Geld, das als Teil eines Handelsdefizits das Land vergessen, muss zurückfließen in Form eines Leistungsbilanzüberschusses – will sagen: als Nettoinvestitionen. Mehr Investitionen bedeutet: bestehende Unternehmen expandieren, neue entstehen, die Arbeitsproduktivität nimmt zu und es gibt mehr wachstumsfördernde Aktivitäten wie Forschung und Entwicklung. Alles in allem: der Wohlstand wächst.

Sogenannte “Währungsmanipulation” durch einen Handelspartner schadet nicht der Wirtschaft eines Landes. Eine unterbewertete Währung des Landes A macht dessen Güter günstiger für Konsumenten aus Land B, wodurch für sie ein echter Nutzen entsteht. Den Wert der Währung A durch geldpolitische Maßnahmen niedrig zu halten, führt freilich nicht dazu, dass die realen Kosten der Ressourcen und Produkte sinken, die die Bewohner des Landes A exportieren. Dennoch müssen sie für Importe aus Land B höhere Preise bezahlen. Eine unterbewertete Währung des Landes A nutzt auf die Kosten diesen Landes den Bewohnern des Landes B.

Mythos: Freihandelsabkommen bedingen einen Souveränitätsverzicht

Realität: Freihandelsabkommen vergrößern die Freiheit. Einzelne Staaten schließen die ganze Zeit Abkommen ab über die verschiedensten Fragen: zu Menschenrechten, zur Behandlung von Gefangenen, zu Gebietsansprüchen in Meeresgebieten – und eben auch über internationalen Handel und den weltweiten Kapitalverkehr. Diese Form der Zusammenarbeit ist die Grundlage einer internationalen Rechtsordnung. Handelsabkommen sind besonders wertvoll, weil sie Vorkehrungen treffen, um den Schaden zu bergrenzen, den Protektionismus anrichten kann.

Die “Meistbegünstigungsklausel” und das Prinzip der “Inländerbehandlung” der Welthandelsorganisation WTO verpflichten Staaten darauf, alle Handelspartner gleich zu behandeln und nicht zwischen importierten und im Land selbst hergestellten Gütern zu unterscheiden. Diese Bedingung der Gegenseitigkeit stellen sicher, dass jeder vom Handel profitieren kann.

Quelle: https://www.mercatus.org/publication/benefits-free-trade-addressing-key-myths