Photo: Wikimedia Commons (CC-BY-SA-3.0-migrated)

In Großbritannien kippt die Stimmung. Labour-Chef Jeremy Corbyn hat lange rumgeeiert und sich jetzt für eine weichen Brexit ausgesprochen. Vielleicht hat er meinen „Weckruf für eine weichen Brexit“ vom 9. Juni gelesen. Man sollte die Hoffnung nie aufgeben – selbst bei Sozialisten!

Nach der Wahlschlappe von Theresa May bei der Unterhauswahl im Juni und dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit war klar, dass diese „Klatsche“ nicht ohne Folgen für die britischen Brexit-Verhandlungen sein konnten. Die Premierministerin ist weiterhin stark unter Druck und es ist nicht ausgemacht, ob sie die nächsten Monate politisch überlebt.

Schon hat Außenminister Boris Johnson Zugeständnisse bei den Scheidungskosten angekündigt. Fast könnte man glauben, die EU sei in der Vorderhand und könne den Briten den Takt diktieren. Zumindest kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die EU-Kommission besser vorbereitet ist. Nach wie vor will die EU-Kommission an Großbritannien ein Exempel statuieren. Nie wieder soll ein Mitgliedsstaat es wagen auszutreten. Gerade in Richtung Polen, Tschechien und Ungarn soll dies wirken. Ob dies die Zentrifugalkraft durch den wachsenden EU-Zentralismus beseitigt, muss bezweifelt werden. Als Kitt und Lockmittel wirken dann letztlich nur noch die Gelder, die aus Brüssel verteilt werden.

Schon schlägt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine Verschärfung der Entsenderichtlinie vor, um den französischen Arbeitsmarkt gegen Arbeitnehmer und Unternehmen aus Osteuropa zu schützen. Er will die Entsendung auf maximal 12 Monate begrenzen. Mitarbeiter von entsendeten Firmen sollen nicht mehr nur den Mindestlohn des Landes erhalten, wo sie vorübergehend arbeiten, sondern den vergleichbaren Lohn. Wer jemals in der EU vom Abbau von Handelshemmnissen fabuliert hat, sollte künftig lieber still sein. Wer den Binnenmarkt, seine wohlstandsschaffende Wirkung auf die Märkte von Dienstleistungen und Waren jemals verstanden hat, sollte nicht weiter Hand an die ohnehin viel zu bürokratische Entsenderichtlinie und insbesondere ihre Umsetzung in die nationalen Gesetze anlegen.

Schon heute muss jedes Unternehmen, das im Nachbarland vorübergehend tätig ist, weil es eine Maschine aufbaut oder diese wartet, einen Wust an Bürokratie bewältigen, den mittelständische Firmen nicht ohne fremde Hilfe stemmen können. Damit wir die Wirkung eines gemeinsamen Marktes durchkreuzt. Es wäre so, als wenn ein Unternehmen aus Niedersachsen, das in Bayern eine Werkzeugmaschine installiert, vorher über das dortige Wirtschaftsministerium um Erlaubnis fragen muss. So weit sind wir innerdeutsch zum Glück noch nicht. Aber zwischen Frankreich und Deutschland, zwischen Deutschland und Österreich läuft es genau so. Macron will „Frankreich first“ durchsetzen und schadet damit dem eigenen Land. Wenn Unternehmen den Lohn des Einsatzlandes bezahlen müssen, dann wird es noch komplizierter. Woher soll ein Mittelständler aus Ostwestfalen mit 150 Mitarbeitern das Wissen hernehmen? Soll er extra dafür jemanden einstellen oder Anwälte damit beauftragen?

Erschreckend ist, dass die große Koalition und die Regierung in Berlin Macron beispringen. Auch sie wollen den deutschen Arbeitsmarkt abschotten und abriegeln. Sie sagen es nicht so, sondern kommen mit Schlagwörtern wie Dumpinglohn und unfairer Konkurrenz daher. Doch wo hört das auf? Ist es fair, dass Skoda seine Autos auf einem niedrigeren Lohnniveau in Tschechien produziert als VW in Wolfsburg. Müsste nicht Skoda, wenn es seine Autos in Deutschland verkaufen will, auch vergleichbare Löhne der deutschen Automobilindustrie bezahlen? Muss hier nicht auch die EU-Kommission endlich eingreifen? Ist das nicht auch Dumping? Und sind China, Indien und Südkorea nicht alle Dumping-Ökonomien? Müssen dort nicht auch unsere Löhne bezahlt werden? Was unterscheidet eigentlich diese Politik vom handelspolitischen Säbelrasseln eines Donald Trump? Ist es die Geschmeidigkeit? Die bessere Frisur? Regierungen wollen oft ökonomische Gesetze aushebeln, weil sie kurzfristig gefallen wollen. Doch ökonomische Gesetze lassen sich nicht beseitigen, sie wirken immer. Sie schaffen entweder die Basis für künftigen Wohlstand, oder die Politik versucht, sie zu verbiegen und schafft dadurch Arbeitslosigkeit und Armut.

Erstmals erschienen bei Tichys Einblick.

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