Photo: Rod Waddington from Flickr (CC BY-SA 2.0)

Von Clemens Schneider, Managing Director von Prometheus – das Freiheitsinstitut. 

Afrika steht auf der Agenda des G20-Treffens. Langsam dämmert den Verantwortlichen dort, dass nicht nur die klassische Entwicklungshilfe glorios gescheitert ist, sondern dass „Afrika“ auch mehr ist als nur Hunger, Korruption und Safari. Was ist zu tun, um den Menschen dort mehr Chancen zu ermöglichen?

Unternehmertum fördern statt Geld verteilen

Die Spatzen pfeifen es seit einiger Zeit so penetrant von den Dächern, dass es schon fast an Ruhestörung grenzt: Die Entwicklungshilfe der vergangenen Jahrzehnte hat im Grunde genommen drei Konsequenzen gehabt: Das ein oder andere Gewissen in den reichen Ländern wurde beruhigt. Autokratische Systeme wurden stabilisiert. Und die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb der Länder langfristig aufgehalten. Trotz der immer heftigeren Kritik hat sich die Summe der Entwicklungshilfe für Sub-Sahara-Afrika von 17,8 Milliarden Dollar im Jahr 2000 auf 45,9 Milliarden im Jahr 2015 hochgeschraubt. Dabei wird die Hilfe eher willkürlich verteilt, wie man exemplarisch an den Zahlungen sehen kann: Kenia erhält bei einem BIP von 1.377 Dollar pro Kopf fast 54 Dollar pro Jahr für jeden Einwohner; Tansania etwa 48 $ (BIP: 879 $ p. P.), Kongo etwa 34 $ (BIP: 456 $ p. P.) und Nigeria 13 $ (BIP: 2.672 $ p. P.).

Viel wichtiger als staatliche Almosen – auch das gehört mittlerweile zum festen Repertoire der Spatzen auf den Dächern – sind die Rücküberweisungen von Migranten. Diese betrugen nach Sub-Sahara-Afrika 1990 1,8 Milliarden Dollar und sind inzwischen auf 17,8 Milliarden angewachsen. Dies sind Gelder, die unmittelbar bei den Familien und Freunden der Migranten ankommen. Es sind finanzielle Ressourcen, mit denen die Menschen in der Heimat kleine Geschäfte aufbauen, ihre wirtschaftliche Situation verbessern, ihre Kinder zur Schule schicken und eine Operation bezahlen können. Nachhaltiges Wachstum kann in diesen Ländern nur durch Privatwirtschaft entstehen. Unternehmertum ist auch das beste Mittel, um den „Ausverkauf“ natürlicher Ressourcen an chinesische Investoren zu kontern. Wenn die Politik in den reichen Ländern etwas tun will, dann sollte sie nicht Geld in die staatlichen Fässer ohne Boden stecken, sondern den Menschen vor Ort Ressourcen zur Verfügung stellen, damit sie unternehmerisch tätig werden können. Anstatt eine neue Prachtstraße in der Hauptstadt zu finanzieren, sollte man lieber den Austausch fördern zwischen den Tüftlern aus Mallersdorf und Malawi, zwischen den IT-Spezialisten aus Lesotho und Litauen, zwischen den Physiotherapeuten aus Sierra Leone und South Dakota.

Regulierungen und Standards überdenken

Wir wollen alle eine saubere Umwelt, ordentliche Arbeitsbedingungen und sichere Produkte. Und selbst diejenigen Politiker, Bürokraten oder Unternehmer, die um eines unmittelbaren Profits willen diese Ideale hintanstellen, würden das ja in der Regel nicht öffentlich kommunizieren. Es gibt durchaus einen moralischen Druck auf Verantwortliche in Politik und Wirtschaft. Zwei unterschiedliche Aspekte führen jedoch dazu, dass dieser moralische Druck gerade in Entwicklungsländern nicht immer sehr effizient ist: In autoritären Systemen führt der Mangel an öffentlicher Kontrolle, Medien und Zivilgesellschaft dazu, dass dieser Druck oft nur in homöopathischen Dosen ankommt. Und bisweilen geht es um simple Güterabwägungen: Wollen wir die Umweltauflagen einhalten oder ein paar mehr Leute einstellen?

Die vielen Regulierungen und Standards, die wir mittlerweile in den entwickelten Staaten rechtsverbindlich eingeführt haben, können von kleinen Unternehmen hierzulande oft nur mit großem Aufwand und hohen Kosten eingehalten werden. Für Unternehmer aus den weniger entwickelten Ländern hingegen wirken sie oft wie unüberwindbare Markteintrittsbarrieren. Von Seiten der reicheren Länder ließe sich dieses Problem auf zwei Weisen abmildern: Erstens könnte man bei vielen Regulierungen darauf setzen, sie nicht verbindlich zu machen, sondern nur eine Kennzeichnungspflicht einzuführen. Dann können Konsumenten selbst entscheiden, ob sie die Waren kaufen, die beispielsweise EU-Standards entsprechen, oder nicht. Zweitens könnte man grundsätzlich darüber nachdenken, ob eine allzu missionarische Herangehensweise nicht die Grenzen des politisch Zulässigen überschreitet. Weltverbesserung ist eine Aufgabe, an der jeder einzelne Mensch auf diesem Globus mitwirken sollte, und ist nicht etwas, das staatlich gesteuert und verordnet werden kann.

Europa lässt sich nicht replizieren

Als sich die europäischen Großmächte nach dem 2. Weltkrieg zunehmend aus ihren Kolonien zurückziehen mussten, verließen sie die Länder selten ohne gute Ratschläge. Ja, viele ehemalige Kolonien – insbesondere Frankreich – sehen sich noch heute in der Rolle des großen Bruders. Die ehemaligen Kolonialherren hinterließen ihren befreiten Untertanen Vorstellungen, die sich über viele Jahrhunderte im europäischen Kontext etabliert hatten. Plötzlich fanden sich unterschiedlichste Ethnien mit grundverschiedenen kulturellen Prägungen in einem gemeinsamen Staat wieder. Und weiße Männer in Anzügen mit wohlklingenden Titeln und Amtsbezeichnungen kamen in regelmäßigen Abständen vorbei, um den Leuten zu erklären, wie die parlamentarische Demokratie funktioniert und Brunnen gebaut werden.

Entwicklung ist nicht etwas, das von außen kommen kann oder sich in Nachahmung erschöpfen kann. Entwicklung ist ein Lernprozess, den jedes Individuum und jede Gruppe für sich selbst durchmachen muss. Vor allem ist Entwicklung ein Prozess, der nicht einem bestimmten Ziel entgegensteuert. Wir im Westen haben nicht die eine optimale Lösung gefunden – für uns nicht, und erst recht nicht für andere. Wir können nicht einfach die vorübergehenden Lösungen für unser Zusammenleben, die wir in unserem konkreten geschichtlichen und kulturellen Kontext für unsere Gemeinschaften entwickelt haben (und wie unterschiedlich sind schon diese Lösungen!) in den Staaten Afrikas replizieren. Was wir aber können, ist, besser und effektiver unsere Rolle zu spielen. Die Überwindung von Elend und Hunger, von Krankheit, Korruption und Krieg ist eine Aufgabe, die die Menschen in den afrikanischen Staaten selber lösen müssen. Es wäre schon sehr viel erreicht, wenn wir ihnen dabei nicht im Weg stünden: Schluss mit der Entwicklungshilfe. Schluss mit Markteintrittsbarrieren. Schluss mit dem Versuch, sie auf den westlichen Weg zu führen. Geben wir den Menschen dort eine Chance, indem wir sie als Partner ernstnehmen und nicht als Spielball oder Mündel.