Photo: hans-johnson from Flickr (CC BY-ND 2.0)

Von Clemens Schneider, Managing Director von Prometheus – das Freiheitsinstitut. 

China ist kein Musterknabe der freien Marktwirtschaft. Aber die verantwortlichen Parteikader haben schon lange verstanden, dass man mit Mao, Lenin und Marx die Wirtschaft nicht zum prosperieren bringt. Darum ist China zwar kein vorbildlicher, aber doch ein wichtiger Verbündeter auf dem Weg zum Freihandel.

Ein fundamentaler Wandel – aber noch viel Raum nach oben

In vielen Kulturen stehen Händler am unteren Ende der Hierarchie in einer Gesellschaft. Die Art und Weise, wie die Kaufleute im konfuzianischen Gesellschaftsverständnis beschrieben werden, erinnert an die Verachtung, die ihnen früher und heute auch in unseren Breitengraden entgegenschlägt in Form von Intellektuellendünkel, Antikapitalismus und nicht selten auch in antisemitischen Klischees. Der Klasse der „Shang“ wird unterstellt, selber nichts zu erschaffen und zu leisten, und wie Parasiten von den Bemühungen und dem Einsatz anderer zu leben. Ihnen wird unterstellt, gierig zu sein und keinerlei moralische Überzeugung zu pflegen. Sie sind die Ausbeuter, die von anderer Leute Arbeit leben. Auf diese Grundüberzeugung gründete Mao auch seine kommunistische Terrorherrschaft. Das heutige China ist von beiden Traditionen inzwischen weit entfernt: Seit bald einem Jahrzehnt liefern sich Deutschland und China ein Wettrennen um den Titel des Exportweltmeisters.

Trotz alledem ist China natürlich noch keine Marktwirtschaft im Sinne westlicher Staaten, geschweige denn im Sinn der großen freiheitlichen Theoretiker. In vielerlei Hinsicht handelt es sich bei dem Wirtschaftssystem noch um astreinen Staatskapitalismus und Korporatismus. Die Hürden für Investoren und Anbieter aus dem Ausland sind immer noch verhältnismäßig hoch. Und chinesische Unternehmen selbst treten im Ausland durchaus nicht als fairer Partner auf, sondern nutzen die Rückendeckung ihrer Regierung, um sich, insbesondere in den weniger entwickelten, aber rohstoffreichen Ländern der Welt, Vorteile gegenüber Wettbewerbern zu verschaffen und die Länder rücksichtslos auszubeuten. In Abwandlung eines Wortes von Helmut Kohl kann man sagen: China will offenbar nicht den Ludwig-Erhard-Preis gewinnen.

Ein ungewöhnlicher Verbündeter

Die chinesische Politik weiß, dass politische und wirtschaftliche Stabilität für das Land nur erreicht werden können, wenn es weiterhin ein halbwegs stabiles Wachstum gibt. Und dazu gehört natürlich der Außenhandel als ganz wesentlicher Faktor. Während es in manchen westlichen Staaten derzeit zunehmend Abschottungstendenzen gibt, entwickelt sich China zu einem immer wichtigeren Vorkämpfer der Globalisierung. Der chinesische Präsident Xi Jinping warf sich vor wenigen Monaten beim Weltwirtschaftsforum in Davos für Freihandel in die Bresche: „Wir müssen uns weiterhin engagieren, um weltweit Freihandel und Investitionsfreiheit weiterzuentwickeln, … indem wir uns öffnen und dem Protektionismus eine Absage erteilen. … China steht dafür, dass offene und transparente Freihandelsabkommen geschlossen werden, die für alle beteiligten von Nutzen sind. Und wir lehnen es ab, exklusive Gruppen zu bilden, die auf eine Fragmentierung hinauslaufen.“

Am vergangenen Wochenende trafen sich in Peking 31 Staats- und Regierungschefs von Indonesien bis Kenia, von Argentinien bis zur Schweiz zum Auftakttreffen der von Jinping seit längerem schon vorbereiteten „Belt and Road Initiative“ („Neue Seidenstraße“). Im Abschlussdokument der Konferenz einigten sich die Teilnehmer auf die Formulierung: „Wir streben danach, ein universelles, regelbasiertes, offenes, nicht-diskriminierendes und faires multilaterales Handelssystem voranzubringen auf Basis der WTO-Regeln.“

Falsche Freunde, aber richtige Ideen

Zurecht haben viele Kommentatoren darauf hingewiesen, dass die chinesische Politik noch einen sehr langen Weg vor sich hat, wenn sie ihr Reden und Handeln in Einklang bringen wollen. Manche befürchten gar, dass diese Sonntagsreden den wahren Charakter chinesischer Handelspolitik übertünchen sollen, deren Ziel die Marginalisierung der westlichen Demokratien sei. Nun ist es allerdings keine besonders große Überraschung, dass im Bereich der Politik die wohlklingenden Worte oft nur in einem marginalen Zusammenhang mit der Realität stehen. Sich darüber aufzuregen, lohnt der Mühe fast nicht. Man sollte allerdings nicht übersehen, welche Rolle auch die Rhetorik und Symbolik in der Politik spielt. Politiker wie Willy Brandt oder Ronald Reagan können durch ihre Kommunikationsfähigkeiten mitunter viel mehr politische Veränderung bewirken als ein anderer mit Heerscharen von Gesetzen und Steuern.

Wenn die chinesische Politik sich nun anschickt, zu einem glühenden Befürworter des Freihandels zu werden, hat das viele positive Effekte. Auch unabhängig davon, wie glaubwürdig das Eintreten tatsächlich erscheint für diejenigen, die die Hintergründe etwas besser kennen. Eines Tages werden die Verantwortlichen vermutlich tatsächlich auch an ihrer eigenen Rhetorik gemessen. Und unter dem Strich ist es immer noch besser, wenn die richtigen Ideen von falschen Freunden in die Welt gesetzt werden, als wenn keiner dazu beiträgt, sie zu verbreiten. Vor kurzem veröffentlichte die offizielle Nachrichtenagentur Chinas ein drolliges Video, in dem eine Gruppe von Kindern aus den Ländern, die an der Seidenstraße liegen, die segensreichen Wirkungen des Freihandels besingt. Ganz ehrlich: Man würde sich wünschen, dass die richtigen und wichtigen Botschaften, die diese Kinder dort transportieren, in der ganzen Welt Gehör finden – ganz egal, von wem sie kommen. Ja, Chinas Politik genügt diesen Idealen oft nicht. Aber das hat auch die Politik anderer Staaten nicht, die früher wichtige Motoren des Freihandels waren – wie Großbritannien, die Niederlande, Deutschland und die USA. Freuen wir uns dennoch darüber, dass diese Ideen ein weiteres einflussreiches Sprachrohr gefunden haben. Wenn statt der Mao-Bibel Werbung für den Freihandel in alle Welt gesendet wird, kann das nur von Vorteil sein!

Für geneigte Leser hier noch das Video und die deutsche Übersetzung des Textes:

Der Gürtel verbindet das Land,
Die Straße bewegt sich auf dem Meer.
Ihr Versprechen
Ist gemeinsamer Wohlstand.

Wir zerbrechen Grenzen,
Wir schreiben Geschichte.
Die Welt, von der wir träumen,
Beginnt mit Dir und mir.

Jetzt kommt die Zukunft,
Und zwar durch Gürtel und Straße.
Wir teilen jetzt all das Gute,
Und zwar durch Gürtel und Straße.

Wenn Handelswege sich auftun,
Dann beginnt das Teilen:
Ressourcen werden ausgetauscht
Und Autoteile verschifft.

Ideen fangen an, zu fließen,
Und Freundschaften werden geschlossen.
Dann werden Dinge, die man für unmöglich gehalten hatte,
Der Normalzustand.

Produkte und Güter sind nur ein Teil,
Von Äpfeln bis zu Kränen (und alles hochmodern!).
Wir bauen neue Straßen, errichten mehr Häfen,
Finde neue Möglichkeiten (mit allen möglichen Freunden!).

Es ist ein Austausch der Kulturen und wir vermehren unseren Wohlstand.
Wir verbinden uns im Herzen (und das macht uns gesünder!).
Mit unseren Trassen und Kabeln, unserem diplomatischen Austausch
Werden wir eine Welt des Wohlstands teilen!